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Gefährliche Homöopathie und die Rolle der Apotheker?
01.06.2022 - Presse, Information & Internet, externe Gremien, Fortbildung, Weiterbildung

Mitte Mai strahlte die Sendung „Kontraste“ in der ARD den Beitrag „Gefährliche Homöopathie und die Rolle der Apotheker“ aus. Wie der Titel schon deutlich macht, ging es einmal mehr um das Thema Homöopathie und wie die Apothekerschaft mit diesem Thema umgeht. Der Beitrag steht im Netz zur Verfügung und dauert keine 10 Minuten.

Der Zielsetzung entsprechend, schlägt der Beitrag zumindest im Berufsstand und in der pharmazeutischen Presse durchaus Wellen. Nach dem Beitrag geschieht dies aus einer gewissen Defensive heraus, wobei der Zungenschlag in den Positionierungen der angefragten Kammer und auch in der Stellungnahme der Bundesapothekerkammer aus unserer Sicht glücklicher sein könnten.

Arzneimittelfachleute - fachlich unabhängig und eigenverantwortlich

Wir würden gern eins vorwegschicken. Die Apothekerin, der Apotheker ist ein freier Heilberuf. Das heißt, Berufsangehörige handeln fachlich unabhängig und eigenverantwortlich, sie alle entscheiden auf Grundlage ihres Studiums und ihrer Berufserfahrung, was für ihre Patientinnen und Patienten gut ist und ihnen helfen kann. Es gibt keine Instanz, die ihnen das abnimmt und nach unserer Ansicht sollte es diese Instanz auch nicht geben. Das bedeutet im Umkehrschluss jedoch, dass es verschiedene Bewertungen geben kann, ja geben muss.

Könnte ein Fall, wie der im Beitrag beschriebene aus Westfalen-Lippe, auch in Thüringen auftreten?

Der Referent ist Facharzt für Allgemeinmedizin, mit den Zusatzqualifikationen Homöopathie, Naturheilverfahren und Umweltmedizin, für die er die Weiterbildungsermächtigungen besitzt. Nach Angaben der Karl und Veronica Carstens-Stiftung war das Vorstandsmitglied langjähriger Vorsitzender der Arzneimittelkommission D sowie der Homöopathischen Arzneibuch-Kommission (HAB) am Bundesinstitut für Arzneimittel und für Medizinprodukte (BfArM). Man kann ihn also als Experten bezeichnen. In einer Kammerveranstaltung vertritt dieser Experte jedoch eine Auffassung, die wissenschaftlich zumindest umstritten ist.

So etwas kann grundsätzlich auch in Thüringen passieren. Zu Seminaren und Vorträgen laden wir Expertinnen und Experten ein, der Referent käme mit seinem Hintergrund auf jeden Fall in die engere Auswahl. Natürlich vertreten Vortragende in erster Linie ihre eigenen Auffassungen, sie bewerten Fakten, sie berichten von ihren Erfahrungen und aus ihrer Berufspraxis. In der Regel sind es Fachleute mit einem entsprechenden Abschluss und speziellem, vertieftem Wissen in bestimmten Gebieten. Genau deshalb sind die Teilnehmenden an diesen Veranstaltungen ja interessiert.

Kann die Kammer die eingesetzten Referentinnen und Referenten prüfen und wie wird sichergestellt, dass sie angemessen auf scheinbare „Fehlleistungen“ reagiert?

Hier kommt den Teilnehmenden eine ganz wichtige Rolle zu. Natürlich ist die LAKT bestrebt, derartige Fälle zu vermeiden, aber das können wir nicht garantieren. Nicht ohne Ihre Hilfe und Ihre Rückmeldungen, die Kammer, das sind wir – alle Apothekerinnen und Apotheker in Thüringen. Man darf bei der Bewertung der Situation nicht vergessen, dass die gezeigte Szene aus der Veranstaltung ein Weiterbildungsseminar vor Fachpublikum war. Dort saßen Angehörige eines freien, akademisch ausgebildeten Heilberufs zusammen und nicht etwa Laien. Sie waren und sind in der Lage, das Gesagte zu bewerten und daraus Schlüsse zu ziehen. Und sie können und werden dann in ihrem Alltag darauf basierend beraten und Entscheidungen treffen, die das Wohl Ihrer Patientinnen und Patienten beeinflussen. Die Verantwortung dafür trägt nicht die Kammer, die Verantwortung tragen alle, die unseren Beruf ausüben jeden Tag selbst. Das ist der Anspruch unseres Berufes und das ist auch gut so, denn für diese Kompetenz haben wir alle hart gearbeitet.

Welche Position hat die Landesapothekerkammer Thüringen denn nun zur Abgabe von Homöopathika?

Die Antwort auf diese Frage ergibt sich von selbst aus dem bisher Gesagten: Eine solche einheitliche Position kann es nicht geben. Uns alle eint der Wille, zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten zu handeln, wie dieses Ziel erreicht werden kann, dass entscheidet sich jeden Tag am HV tausendfach ganz individuell. Daran wirken die handelnden Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, nicht zuletzt aber auch die Patientinnen und Patienten mit. Auch die sind natürlich beeinflusst und von ganz verschiedenen Einflüssen geprägt. Und an dieser Stelle kommt man auch nicht daran vorbei, noch einmal die ganz große Perspektive zu wählen.

Zugelassene Homöopathika mit definierten Anwendungsgebieten sind ein Widerspruch in sich

In einem Land, in dem es zugelassene homöopathische Arzneimittel geben darf, die nur ein stark „abgemildertes“ Zulassungsverfahren durchlaufen müssen und danach mit den erstaunlichsten Werbeversprechen beworben und von den Kassen bezahlt werden dürfen, ist es nicht verwunderlich, dass nach diesen Produkten nachgefragt wird. Wenn diese - nennen wir es - Nische vom Gesetzgeber gewollt und letztlich gefördert wird, dann ist es wichtig, Apotheken dazu zu bringen, die Abgabe für sich kritisch zu hinterfragen und Patientinnen und Patienten zur Anwendung oder auch zur „Nicht-Anwendung“ zu beraten. Da es apothekenpflichtige Arzneimittel sind, ist dies aber eine staatlich zugewiesene Aufgabe der Apotheken.

Es mag ein legitimes Interesse der Presse sein, diese Praxis kritisch zu begleiten und zu hinterfragen. Aber das Problem liegt doch eigentlich tiefer.