Gesetzentwurf des Gesundheitsministeriums: Kein Problem gelöst, viele neue geschaffen.
13.06.2024 - externe Gremien, Apothekenwesen, Presse, Recht
Das Bundesministerium für Gesundheit hat seinen lang angekündigten Gesetzentwurf zur Umwälzung der Arzneimittelversorgung vorgelegt. Wie es in diesem Ministerium inzwischen zum Umgang mit den Betroffenen gehört, wird erst eine überregionale Zeitung informiert bevor der Referentenentwurf durch das Ministerium offiziell veröffentlicht wird. Man könnte es einen schlechten Stil nennen.
Gesundheit in den besten Händen
Aber die Landesapothekerkammer Thüringen kritisiert nicht in erster Linie den Stil des Ministeriums, sondern die Inhalte des Gesetzesentwurfs. „Das Gesundheitsministerium offenbart mit diesem Entwurf, wie wenig es von sicherer und guter Arzneimittelversorgung versteht“, sagt Danny Neidel, Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Thüringen. „Es ist eben nicht egal, ob eine Apothekerin oder ein Apotheker nach einem fünfjährigen Studium eine Apotheke leitet und die Arzneimittelsicherheit verantwortet oder eine bzw. ein PTA. In Fragen der Gesundheit vertraut man eben nicht der zweitbesten Lösung, Gesundheit gehört in die besten Hände.“
„Besser als nichts“ darf nicht der Anspruch sein
Die Vorschläge des Ministeriums sind ein Konglomerat aus Entprofessionalisierung und Qualitätsabbau. „Durch den gesamten Referentenentwurf zieht sich wie ein roter Faden der Gedanke: »Seid zufrieden mit dem, was wir hier anbieten, sonst kommt alles viel schlimmer.« Es kann aber nicht der Anspruch eines Ministeriums sein, das Schlimmste zu verhindern, es muss doch darum gehen, die Qualität der Versorgung zu verbessern, sie zumindest zu stabilisieren. Stattdessen ist alles, was hier beschrieben wird, nicht besser als nichts, es ist in erster Linie schlechter als die jetzige Versorgung.“, beschreibt der Apotheker seine Sicht.
Einsparpotentiale in Millionenhöhe?
Dabei ist die Scheinapotheke ohne Apothekerin oder Apotheker nur die Spitze des Eisberges. „Eiskalt“ wird der Entwurf auch bei den beschriebenen Einsparpotentialen für Apotheken. Nach dem Referentenentwurf sieht das Ministerium ein Einsparpotential für Apotheken von jährlich 11,4 Millionen Euro durch die Reduzierung der Öffnungszeiten und die dabei eingesparten Gehälter der Angestellten. „Es macht uns fassungslos, dass ausgerechnet ein sozialdemokratisch geführtes Ministerium empfiehlt, dass mittelständische Unternehmen Effizienzreserven auf Kosten ihrer - in den meisten Fällen - Mitarbeiterinnen heben sollen. Das zeigt nicht nur, dass das soziale Denken in der ehemals großen Partei verloren geht, es offenbart vor allem ein völliges Unverständnis davon, was tagtäglich Menschen in der Arzneimittelversorgung leisten. Apotheken sind doch nicht geöffnet, weil irgendwelche Gesetze das von ihnen fordern, sondern weil sie von den Menschen gebraucht werden.“, zeigt sich Neidel fassungslos. Die These, dass Apotheken durch das Reduzieren von Öffnungszeiten, Einsparpotentiale heben können, ist eine direkte Aufforderung die Qualität der bestehenden Arzneimittelversorgung zu verringern.
Ein Angriff auf die Selbstständigkeit
Gleichzeitig sollen Apothekerinnen ermutigt werden, weitere Filial- und Zweigapotheken zu eröffnen. Diese können dann unter gewissen Voraussetzungen allein mit pharmazeutisch-technischem Assistenzpersonal betrieben werden. Gleichzeitig soll die Verpflichtung zur persönlichen Leitung der Apotheke durch die Apothekerin oder den Apotheker aufgeweicht. „In den neu gedachten Filialverbünden kann die Chefin oder der Chef gleichzeitig mehrere Betriebsstätten »persönlich« führen, die weiter als bisher voneinander entfernt sein können. Da auch Apothekerinnen nicht gleichzeitig an zwei Orten sein können, heißt persönliche Leitung nicht mehr wie bisher »vor Ort sein«, sondern irgendwo in der Nähe. Damit wird nicht nur die Eigenverantwortlichkeit relativiert, am Ende ist es die Selbstständigkeit, die so verlorengeht. Denn, ob es nun ein Apotheker ist, der zwischen den Schein-Apotheken pendelt oder ein Sales-Manager ist dann auch egal.“, zeichnet der Apotheker eine wenig erfreulich Zukunft.
Und das Fazit? Aus Sicht der Landesapothekerkammer Thüringen löst der neue Entwurf keines der drängenden Probleme der Arzneimittelversorgung, im Gegenteil, er schafft viele neue. Die Einheiten wachsen, keine junge Apothekerin und kein junger Apotheker kann einen Verbund mit bis zu sechs Betriebstätten finanzieren. Damit geht die entscheidende Voraussetzung für den Schritt in die Selbstständigkeit verloren und damit der Mut und die Entschlossenheit, das Glück in die eigene Hand zu nehmen. Das alles geht verloren.