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Arzneimittelversorgung für Menschen im Alter wankt
23.07.2024 - Presse, Apothekenwesen, externe Gremien, Information & Internet

2023 versorgte eine Apotheke in Thüringen im Schnitt 1.174 Menschen mit Arzneimitteln, die 65 Jahre oder älter waren. 2003 waren es nur 826, zehn Jahre später kamen rechnerisch 909 Rentnerinnen und Rentner auf eine Apotheke. Und in Zukunft werden weniger Apotheken noch viel mehr Menschen im Rentenalter versorgen müssen.

Von Apothekenfilialisierung profitiert nicht das Land

„Seit 2003 hat sich die Situation dramatisch gewandelt“, weiß Ronald Schreiber, Präsident der Landesapothekerkammer Thüringen. „Anfang des Jahres 2004 hatte der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, dass Apothekerinnen und Apotheker mehr als eine Apotheke betreiben durften. Davon wurde in den ersten 10 Jahren auch Gebrauch gemacht, viele Filialen entstanden dort, wo man ein gutes Geschäft erwarten konnte, allerdings setzte 2011 ein gegenläufiger Trend ein, die Zahl der Apotheken sinkt seit dieser Zeit, Stand heute sind es nur noch 490 in Thüringen.“

Gerade Menschen im Rentenalter brauchen ihre Apotheke vor Ort

Diese Entwicklung trifft vor allem die wachsende Zahl von alten Menschen und insbesondere im ländlichen Raum. „Wir stehen am Anfang einer Entwicklung. Die ersten »Babyboomer« kommen gerade ins Rentenalter, in den nächsten 15 Jahren wird die Zahl der Menschen über 65 immer weiter steigen und es sind vor allem diese Menschen, die auf eine sichere Arzneimittelversorgung und damit auf die Apotheken vor Ort angewiesen sind.“ Auch unter den Apothekerinnen und Apothekern ist die Tendenz nicht anders. „Gut die Hälfte der Apothekenleitungen ist heute älter als 50, wird in 15 Jahren also nicht mehr zur Verfügung stehen. Stellt man beide Entwicklungen in Zusammenhang, ist die Prognose ausgesprochen pessimistisch.“, zeigt sich Apotheker Schreiber besorgt.

Mehr als 20 Thüringer Gemeinden haben ihre Apotheke verloren

Arenshausen. Lengenfeld unterm Stein. Körner. Kirchheilingen. Herbsleben. Großfahner. Warza. Barchfeld. Stadtlengsfeld. Brotterode. Geraberg. Stützerbach. Schönbrunn. Plaue. Gräfinau-Angstedt. Steinheid. Ebersdorf. Lehesten. Ranis. Ziegenrück. Teichwolframsdorf. Vieselbach. Und in diesem Jahr Treffurt. Schreiber: „Die Aufzählung dieser Orte erschreckt mich immer wieder. Sie stehen für Thüringen, die Struktur, die Vielfalt, das Lebensgefühl unseres Landes. Und dort wird die Arzneimittelversorgung nicht mehr so sichergestellt, wie es sein sollte. Das muss uns große Sorgen machen.“

Hilfskonstrukte als Dauerlösung?

Stattdessen gibt es jetzt Kioske und „Gesundheitsmärkte“, in denen Arzneimittel nur noch über den Tresen gereicht werden. „Geht es nach den Vorstellungen des Apothekenreformgesetzes, soll das der neue Standard werden. Apotheken ohne verantwortliche Apothekerin bzw. verantwortlichen Apotheker vor Ort, Beratung, die reine Glückssache ist, all dies macht Arzneimittel zu einer Ware, und die Arzneimittelversorgung zweitklassig. So darf die Thüringer Gesundheitsversorgung in Zukunft nicht aussehen.“, so Apotheker Schreiber.

Hintergrund

Am 12. Juli veröffentlichte das Statistische Bundesamt eine Pressemitteilung mit dem Titel „Eine Apotheke in Deutschland versorgt im Schnitt 4.819 Menschen“. Kernaussage der Meldung war, dass in den letzten 10 Jahren die Zahl der durch eine Apotheke zu versorgenden Menschen im Bundesschnitt um ein Drittel gestiegen ist. Auffällig war an dieser Meldung, dass in den neuen Bundesländern die Verschlechterung der Versorgung scheinbar weniger dramatisch zu sein schien, da alle fünf Flächenländer ein besseres Patienten-Apotheken-Zahlenverhältnis aufwiesen als der Bundesdurchschnitt. Doch der Eindruck täuscht, denn die entscheidende Bezugsgröße ist nicht die Gesamtbevölkerung, sondern ist der Teil der Bevölkerung, der auf die sichere Arzneimittelversorgung vor Ort angewiesen ist. Und der ist in den neuen Bundesländern besonders hoch.